Konflikte: Geschichten aus Supervision und Coaching
Konflikte sind – da nicht nur „total normal“, sondern Menschen auch stark beschäftigend (https://www.richtung-ziel.de/total-normal/) – häufiges Thema in Supervision und Coaching. Dabei kann es um innere Konflikte gehen, um Konflikte mit Anderen und um Gruppen- bzw. Teamkonflikte.
Drei Geschichten aus der Praxis von Supervision und Coaching*
Ein innerer Konflikt im Coaching
„Ich kann mich nicht entscheiden“: die junge Frau hat ihr Studium gerade beendet und eine berufliche Tätigkeit aufgenommen, die sie aber nicht befriedigt. Sie fühlt sich hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch nach einer interessanten, herausfordernden und sinnvollen Arbeit einerseits und ihrem Sicherheitsbedürfnis andererseits. Ein Fall für das innere Team! (https://www.schulz-von-thun.de/die-modelle/das-innere-team). Dabei werden die für den inneren Konflikte relevanten Teammitglieder identifiziert, denen – wie das bei einem Team auch sein sollte – die Coachee wertschätzend begegnen soll. Deren Unterscheidung (mit Name, Bild, Kernbotschaft) und „Externalisierung“ ermöglicht in der Supervision Abstand zum und Steuerung des inneren Geschehen. Die Supervisandin führt nun als Teamchefin die Verhandlungen mit den Akteuren und entdeckt, dass es nicht nur ein „Entweder-Oder“, sondern auch ein „Sowohl als auch“ geben kann. Wie wertvoll Ambivalenzen doch sein können!
Konflikte mit Anderen in der Supervision
„Dumm, krank oder böse“: Sie sind Kollegen in einer Wissenschaftsorganisation, die freundschaftliche Beziehungen entwickelt haben. Dennoch, oder gerade deswegen, ist ihre berufliche Beziehung nicht spannungsfrei. Ein konkreter Anlass – der eine meint, der andere verhalte sich „anmaßend“ und verbittet sich dessen „Überheblichkeit“, der andere weist das weit von sich (s. https://www.richtung-ziel.de/total-normal/) – löst eine Kettenreaktion aus. Die Geschichten ihres verletzten Gerechtigkeitsempfindens und der Empörung darüber treiben das Karussell an, das beide nun bestiegen haben und das beträchtlich an Fahrt aufgenommen hat. Dabei nimmt die Eindeutigkeit der zunehmend selektiven Wahrnehmung, ihrer Erklärungen und Bewertungen zu, denn mit differenzierten Bildern des Anderen oder gar inneren Ambivalenzen lassen sich Konflikte nur schlecht führen: Man ist sich nur darüber einig, dass der Andere schuld ist.
In der Supervision wird zunächst der destruktive, von negativer Erwartung und feindseliger Wahrnehmung bestimmte Dialog unterbrochen. In einem ersten Schritt werden dafür Kommunikationsregeln vereinbart und konsequent auf ihre Einhaltung geachtet. In einem zweiten Schritt rege ich die Konfliktbeteiligten zur Einnahme reflektierender Positionen an. „Wenn Sie jetzt beide einmal eine Pause machen, den Raum verlassen, auf den echten oder vorgestellten ‚Balkon‘ (Arist von Schlippe, https://www.uni-wh.de/detailseiten/kontakte/arist-von-schlippe-2251/f0/ Link) gehen und das Gespräch von oben, aus der Distanz beobachten: was sehen und hören Sie? Wie glauben Sie, fühlen sich die beiden dabei? Wem geht es dabei gut – oder auch nicht? Wie könnten die beiden, wenn Sie es denn wollten, ihr Gespräch anders führen? Was würden Sie wem dafür raten?“
Zurück vom Balkon gelingt es, der „empathischen Spur“ weiter zu folgen. Im Einzelinterview im Beisein des Anderen, dann mit einem Rollenwechsel auf dem Stuhl des Gegenübers ist ein wechselseitiges Verständnis (in Bezug auf die jeweiligen Vorstellungen von „guter Ordnung“/ Gerechtigkeit/Fairness und die dabei vermengten Rollen des Freundes und Kollegen) möglich. Die „Welt mit den Augen des Anderen“ zu sehen (nicht: dessen Perspektive zu übernehmen) wird zum Schlüssel für einen neuen, konstruktiven Umgang miteinander.
Ein Teamkonflikt in der Supervision
„Keine Kontrolle, aber Mitverantwortung“: Im kleinen Team eines Wohlfahrtsverbandes findet ein personeller Wechsel statt. Die „Neue“ startet mit großem Elan, findet damit aber bei den „Alten“ nicht die gewünschte Anerkennung, sondern stößt vielmehr auf Ablehnung. Schnell sind die Beteiligten mit persönlichen Schuldzuweisungen (siehe oben) zur Hand.
Hier galt es, Kontexte mit einzubeziehen und andere, neue Erklärungen für die allseits erlebten Kränkungen zu finden: in kleinen Gruppen und quasi-familiären Kulturen kann das Gehen und Kommen von Kolleginnen und Kollegen eine besondere „Verstörung“ des Systems sein. Vielleicht befindet sich das Team in der Phase der Positions- und Rollenklärung („Storming“) und verhandelt dabei im gruppendynamischen Raum Zugehörigkeit, Macht und Nähe/Distanz. Auch in der Systemtheorie gibt es Hypothesen zu „Grundprinzipien von Gruppen“, die hier vielleicht keine Beachtung gefunden haben (Insa Sparrer, Wunder, Lösung und System, https://www.carl-auer.de/wunder-losung-und-system, https://www.syst.info/de/insa-sparrer). „Die Zugehörigkeit wird durch Regeln festgelegt“, die die Neue in Ihrem Schwung möglicherweise nicht ernst genug genommen und dabei auch das „Prinzip der direkten Zeitfolge“ verletzt hat. Dies beinhaltet eine Würdigung der älteren Systemmitglieder. Wenn diese zu fehlen scheint, mangelt es an Unterstützung der Neuen, die dadurch wiederum im Fehlen der verdienten Anerkennung das „Prinzip des Vorrangs des höheren Einsatzes“ und das „Prinzip des Leistungs- und Fähigkeitsvorrangs“ missachtet sieht.
Unter Berücksichtigung solcher Kontexte ließ sich das Geschehen als „Gemeinschaftswerk“ begreifen, zu dem alle einen Beitrag geleistet haben, ohne daran individuell „schuld“ zu sein. Jetzt rückt das Interaktionsgeschehen, rücken Kommunikationsmuster in den Vordergrund, die unterbrochen und günstiger gestaltet werden können.
Besonders hilfreich erweist sich in diesem hochengagierten Team der Blick auf das Verbindende: die Identifikation mit dem Auftrag der Organisation, die gemeinsamen Werte, das von allen geteilte Ziel.
Voraussetzungen für die Konfliktbearbeitung in Supervision und Coaching
Es gibt Voraussetzungen für die Konfliktbearbeitung in Supervision und Coaching: alle relevanten Konfliktparteien wünschen Supervision oder Coaching. Über die Ziele des Prozesses gibt es einen zumindest vorläufigen Konsens. Die Bereitschaft zu respektvollem Umgang miteinander ist gegeben Diese Voraussetzungen sind in der Regel nur erfüllt, wenn der Konflikt nicht zu stark eskaliert ist. Es bedarf also einer fortlaufenden Beobachtung, die die Konfliktdynamik, die Konfliktart(en), den Konfliktnutzen und die Konfliktziele im Blick behält.
Solche Beobachtungen zur Verfügung zu stellen, ist wiederum eine Intervention: das Wissen um eine Prozesslogik unabhängig von konkreten Akteuren kann entlastend und erhellend wirken ( „der eigentliche Feind ist die Eskalation“), die Vermutung eines Strukturkonflikts (klassisch: Produktion gegen Vertrieb, Verwaltung gegen operatives Geschäft) „entpersonalisiert“. Der Blick auf den möglichen Nutzen des Konflikts (etwa ein starker Beharrungs- oder Veränderungswunsch) erklärt scheinbar irrationales Verhalten und hilft dabei, dem Konflikt als einem Alarmzeichen Positives abzugewinnen. Wenn als Konfliktziel nicht Kompromiss, sondern Kapitulation aufscheint, ist daran zu erinnern, wie wichtig Gesichtswahrung ist. „Der Verlierer bestimmt. wann ein Konflikt beendet ist“ (Fritz Simon, http://www.fritz-simon.de/)
*Die Geschichten beruhen auf Praxiserfahrungen, die aber so verändert, verbunden und vereinfacht worden sind, dass eine Zuordnung zu einem konkreten Prozess oder zu konkreten Personen nicht mehr möglich ist. Vertraulichkeit und Datenschutz werden somit gewahrt.