Wirksamkeit von Coaching und Supervision
Die Frage ist nicht, ob Coaching und Supervision positive Wirkungen haben können – das ist unbestritten. Die Frage ist vielmehr, was genau wie und wann gut wirkt. Sie auf theoretischer und praktischer Ebene zu beantworten, gehört zur Professionalität von Berater*innen und ist ein Qualitätsausweis. Der ist umso wichtiger, als „Coach“ oder „Supervisor*in“ keine geschützten Berufsbezeichnungen sind. Weiterbildungen sind von unterschiedlicher Intensität (zum Supervisor deutlich stärker als zum Coach) und beruhen auf unterschiedlichen Ansätzen.
Gerhard Roth und Alicia Ryba haben es in ihrem Buch „Coaching, Beratung und Gehirn“1 unternommen, die Wirksamkeit von Coaching aus neurobiologischer Sicht zu untersuchen.
Roth und Ryba unterscheiden zwischen „allgemeinen Wirkfaktoren“, die für verschiedene Beratungsformen gleichermaßen gelten und „spezifischen Wirkfaktoren“ für Coaching. Aufgrund der engen Verwandtschaft zwischen Coaching und Supervision (interner Link) dürfen wir davon ausgehen, dass auch die spezifischen Wirkfaktoren in beiden Beratungsformen gleich sind.2
Allgemeine Wirkfaktoren in der Beratung
Herausragender „allgemeiner Wirkungsfaktor“ ist das „Arbeitsbündnis“ zwischen Berater*in und Beratenen. Dieses umfasst Klarheit (und Übereinstimmung) in Bezug auf die Beratungsziele und das prinzipielle Vorgehen sowie eine positive Bindung. Roth und Ryba weisen auf die „starke Wirkung der therapeutischen Allianz“ zwischen Berater*in und Klient*in hin, die nachweislich positive Effekte auf die Beratenen habe (z.B. Erhöhung des Serotin- und Senkung des Cortisolspiegels, vermehrte Ausschüttung endogener Opioide) und die 30-70% der Wirkung etwa von Psychotherapie erkläre. Letztlich gehe es dabei um eine „höchst individualisierte Passung“ zwischen Berater*in, Klient*in und Anliegen.
Passung benötigt es außerdem zwischen den spezifischen Anliegen der Klient*innen und den angewandten Methoden. Das wiederum ist Teil der Prozesssteuerung durch Kontakt, Kontrakt, Hypothese, Intervention und Evaluation, die an anderer Stelle als „kritischer Erfolgsfaktor“ bezeichnet wird.3
Spezifische Wirkfaktoren in Coaching und Supervision
Das sind nach Roth und Ryba4
- „die Beziehung, also die gegenseitige und meist unausgesprochene Akzeptanz und das Vertrauensverhältnis von Coach und Klient“,
- „die Ressourcensuche und -aktivierung“ und
- „das geduldige Einüben positiver Weisen des Fühlens, Denkens und alternativer Verhaltensweisen“.
Mit den Punkten 2 und 3 aber steht die Frage nach dem Ansatz des Coachs oder der Supervisorin wieder auf der Tagesordnung.
Zusammenhang mit Anliegen in Coaching und Supervision
Nun liegen die Anliegen bei Coaching und Supervision auf ganz unterschiedlichen Ebenen, der persönlichen, interaktionellen oder organisationsbezogenen. Bei der persönlichen Ebene ist noch einmal zu differenzieren: Manchmal kennt man „die richtige Vorgehensweise nicht, ist gefangen in eigenen Vorannahmen oder Vorurteilen, man übersieht wichtige Faktoren oder Akteure, man missversteht oder missinterpretiert. Hier kann der Coach oft schnell wirksam sein. Dazu braucht es wirksame Tools, um die Situation zu klären, Ziele zu bestimmen und Wege, diese Ziele zu erreichen, ausfindig zu machen“.
„Diejenigen Verhaltensweisen, die sich so hartnäckig immer wieder zeigen, liegen dagegen sehr häufig in inneren emotionalen Konflikten begründet. Die damit gekoppelten Überzeugungen und Annahmen sind tief im … (Vorbewussten) verankert und sind meist ungünstige Bewältigung von inneren Ängsten, die sich eigentlich überlebt haben“.5
Wenn letzteres der Fall ist, hat die „rein kognitive Auseinandersetzung mit den eigenen Problemen kaum einen … Effekt“. Vielmehr sehen Roth und Ryba im hypnotherapeutischen bzw. hypnosystemischen Ansatz (https://www.richtung-ziel.de/ – Startseite unten) die Chance, Zugriff auf das „tiefe Vorbewusste“ zu erhalten. Dies wird so zu einer nützlichen Ressource für Erkenntnis- und Veränderungsprozesse.
Die Autoren empfehlen hier unter anderem eine Ressourcen- und Erlebnisaktivierung, die die Arbeit mit Emotionen und Körperempfindungen, Veränderungen der inneren Landkarte, Aufbau neuer Fähigkeiten und Erfahrungen, Ausprobieren neuer Verhaltensweisen und nicht zuletzt die Unterstützung der Umsetzung umfasst – alles Bestandteile des (hypno)systemischen Ansatzes (https://www.richtung-ziel.de/veraenderung-neues-verhalten/).
1 Gerhard Roth, Alicia Ryba, Coaching, Beratung und Gehirn. Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungskonzepte, 2016
2 Zum Stand der Supervisionsforschung s. B. Schigl, C. Höfner, N.A. Artner, K. Eichinger, C. B. Hoch, H. G. Petzold, Supervision auf dem Prüfstand. Wirksamkeit, Forschung, Anwendungsfelder, Innovation. 2020
3 Michael Loebbert, Erfolgsfaktoren – wie Coaching wirksam wird, in: R. Wegener, A. Fritze, M. Hänseler, M. Loebbert (Hg.), Coaching-Prozessforschung. Forschung und Praxis im Dialog, 2018 (https://library.oapen.org/bitstream/handle/20.500.12657/43511/external_content.pdf?sequence=1&isAllowed=y); s. auch Christiane Schiersmann, Heinz-Ulrich Thiel. Was wirkt eigentlich in der Beratung? Auf dem Weg zu einer allgemeinen Theorie der Beratung, in: ebda. Marc Lindert, Was Coaching wirksam macht, in: Coaching-Magazin 1/2017 (https://www.coaching-magazin.de/wissenschaft/wirkfaktoren-coaching); Nicklas Kinder, Christina Mühlberger, Sandra Diller, Janine Stollberg, Eva Jonas, Siegfried Greif, Was macht erfolgreiches Coaching wirksam? In: Coaching-Magazin 1/2020 (https://www.coaching-magazin.de/wissenschaft/erfolgreiches-coaching)
4 die sich wiederum auf Klaus Grawe und Siegfried Greif stützen
5 K. Eidenschink (2016), zitiert nach Roth und Ryba, Coaching, Beratung und Gehirn